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Grosny läßt grüßen

konkret 02/95, S. 22

Dem Verbund staatlicher Tarnorganisationen der deutschen Außenpolitik (KONKRET 1/95) scheint ein besonders raffinierter Verein anzugehören: die „Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV) mit Sitz in Flensburg. Angeblich privat, kümmert sich die FUEV um fast sämtliche nicht-deutschen Minderheiten auf dem Kontinent und fordert „Volksgruppenrechte“ - seit den 20er Jahren ein beliebtes Instrument zur Zerlegung der deutschen Nachbarstaaten in territoriale Einzelteile (Die Redaktion).

Mitte März 1928 trafen im Konferenzraum einer verschwiegenen Adresse der Berliner Innenstadt zwei selten vereinte Personengruppen zusammen. Die beamteten Auftraggeber inoffizielller Aktivitäten der deutschen Außenpolitik, darunter mehrere Legationsräte, Staatssekretäre sowie ein bevollmächtigter Minister (Graf Lerchenfeld aus dem Auswärtigen Amt), wollten gemeinsam mit den führenden Köpfen der von ihnen benutzten Tarnorganisationen (u.a. das Institut für Grenz- und Auslandsstudien, der Ostdeutsche Heimatdienst, die Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung und der Deutsche Ostmarkenverein), eine neue Etappe des Untergrundkampfes abstimmen. Laut vertraulichem Konferenzbericht ging es um die „vorerst theoretische Gleichschaltung“ beim Wirken für einen „großdeutschen Staat“, der die „Neuordnung Europas“ dominieren sollte. Vorgesehen waren der Anschluß Österreichs sowie die Einverleibung oder Assoziation weiter Staatsteile Belgiens, Frankreichs, Italiens, Dänemarks, Polens und der Tschechoslowakei - damit „das deutsche Volk ... die ihm naturgemäß zufallende Führerrolle in Europa auszufüllen vermag“. Um nach jahrelangen Vorbereitungen in der hinderlichen Nachkriegszeit endlich „zum Angriff überzugehen“, sollte die „Neuordnung Europas ... fortan nicht allein als deutsche, sondern als europäische Forderung geltend gemacht werden können“. Die Konferenz suchte einen geeigneten „Ordnungsgedanken für alle Völker Europas“, hinter dem sich die deutschen Hegemonialabsichten verbergen ließen, „einen politsch-sittlichen Gedanken von weltweitester Bedeutung“.

Die zündende Idee kam der subversiven Runde, als sie der Möglichkeiten gedachte, die das Problem der europäischen Minderheiten und Nationalitäten barg. Diese Möglichkeiten hatte die deutsche Außenpolitik stets zu handhaben gewußt und sich bereits früher die Anwesenheit deutschstämmiger Bevölkerungsgruppen in zahlreichen europäischen Ländern zunutze gemacht. Ihre ständigen Autonomieforderungen, die auf den Anschluß von Gebieten Frankreichs (Elsaß-Lothringen), Italiens (Südtirol) oder Polens hinausliefen, hatten destabilisierend gewirkt. Ähnliche Resultate zeitigte auch der gleichgerichtete Einsatz fremdsprachiger Nationalitäten, die man beispielsweise in Irland entsprechend zu motivieren versucht hatte, ohne jedoch diese Ansätze jemals systematisieren zu können - ein strategischer Fehler, wie die Berliner Konferenzrunde jetzt, nach verlorenem Weltkrieg, erkannte. Der Kampf um Deutschlands Führungsrolle, so die Ministerialbeamten und ihre Auftragnehmer, könne „niemals Erfolg haben, wenn er nur für dieDeutschen und nur mit deutschen Argumenten geführt wird. Er muß ... auf erweiterter Grundlage um Rechte aller Völker des europäischen Raumes ... angesetzt werden.“ Deutschlands weites Herz für die kontinentalen Minderheiten jedweder Herkunft war entdeckt.

In ihren Heimatsstaaten waren diese Bevölkerungsteile ein ständiger Unruheherd. Sie zählten nach Millionen: Waliser in England, Bretonen in Frankreich, Flamen in Belgien, Kroaten in Jugoslawien, Ungarn in Rumänien und Rumänen in Ungarn sowie zahllose Völkerschaften der UdSSR. Würde es gelingen, die zwischen ihnen und den jeweiligen Zentralgewalten bestehenden Spannungen zu fördern, ja möglichst bis zur territorialen Auflösung der Nachbarländer zu treiben, wäre die Herrschaft des deutschen „Großvolkes“ über ein zersplittertes Europa ohne gesteigerten Aufwand zu erreichen. Deswegen, so der Dienstvorgesetzte des subversiven AA-Personals, der deutsche Außenminister Gustav Stresemann, vertraulich, sei „die Minderheitenfrage ... zur außenpolitischen propagandistischen Ausnutzung“ bestens geeignet. Minderheitenansprüche auf Autonomie müßten als „ein von allen politischen Erwägungen und Bedenken vollkommen unabhängiges Naturrecht“ dargestellt werden. „In den Augen der Welt“ solle „das Minderheitenproblem eine Frage von internationalem Interesse“ werden, die „Vorbedingung jedes dauernden Friedens“ in Europa, und nur durch eine „großzügige Lösung“ zu gestalten.

Stresemanns „großzügige Lösung“ hatte die Subjekte des europäischen Völkerrechts im Visier: den nationalen Einheitsstaat der deutschen Nachbarn, der zur Disposition gestellt wurde, weil er das eigene Ausbreitungsinteresse störte. Das deutsche „Lebensbedürfnis“, meinte der Außenminister, stehe „mit der heute noch herrschenden Tendenz ... nach Entwicklung eines nationalen Einheitsstaates in so schroffem Widerspruch, daß die Erreichung des Zieles nur möglich erscheint, wenn diese Tendenz gebrochen wird“.

„Grenzänderungen unvermeidlich“

„Es gibt keinen Ausweg als den Bruch mit überlebten Auffassungen von Staat und Volk“, echoten auf der Berliner Konferenz Stresemanns Ministerialabgesandte, und die anwesenden Vertreter der völkischen Organisationen nickten. Die aus der amerikanischen und französischen Revolution geborene Idee des souveränen, den Menschenrechten verpflichteten Nationalstaates mit unterschiedlichsten Bewohnern gehöre der Vergangenheit an. „Die Unbiegsamkeit dieser Staatsform steht (in ihrer einseitigen Überspannung des Souveränitätsgedankens) hindernd vor einer wirksamen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenführung“ Europas. Von höherem Wert als der Staat sei das „Volk“: das bretonische, flämische oder kroatische, dessen „Naturrecht“ gegen den Nationalstaat revoltieren müsse. Überall dort, wo sich ein „Volk“ in „geschlossenen Siedlungsgebieten“ befinde, habe es Anspruch auf eigene Territorien. Zu dieser separatistischen Handlungsanleitung gehören selbstverständlich „Grenzänderungen, wie sie für eine wahre Befriedung unvermeidlich sind“. Weil schließlich jede „Volksgruppe“ über eine „Volkspersönlichkeit“ verfüge, stünden ihr „körperschaftliche Volksgruppenrechte“ zu, darunter die Anerkennung eines angestammten „Volksbodens“ auf dem der „Volksbestand“ gegen „fremdvölkische“ Begehrlichkeiten verteidigt werden müsse. Die Umrisse atomisierter Nachbarstaaten in einem über „Volksgruppen“ herrschenden Großreich wurden deutlich.

Mit diesem Rückgriff auf die archaische Sippenordnung und ihre kollektive Blutsverwandschaft von „Volksgruppen“ war man dem beabsichtigten Ziel nähergekommen. Die Personalisierung des „Volkes“ zum Rechtssubjekt einer den Staat überragenden Ordnung konnte unter den europäischen Minderheiten für Zündstoff sorgen. Das Unabhängigkeitsstreben der Waliser, Bretonen, Flamen oder Kroaten war nicht nur theoretisch unterfüttert; vor allem war es in einen vorgeschichtlichen Widerspruch zu den Normen des 20. Jahrhunderts gebracht worden. Zufrieden verließen die Ministerialbeamten das Berliner Treffen. Seine logistische Umsetzung sollten die führenden Köpfe der staatlichen Tarnorganisationen bewerkstelligen.

Insbesondere der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) und der „Verband der deutschen Volksgruppen in Europa“ wiesen ihre operativen Vorposten jenseits der deutschen Grenzen zum sofortigen Handeln an. Während der VDA die Anbindung an die deutschsprachigen Minderheiten garantierte, begann eine liebevolle Arbeit des als „privat“ verkleideten Verbandes der „Volksgruppen“ mit Flamen, Bretonen oder Kroaten. Insgesamt „40 Volksgruppen, die 14 Völkern angehören und in 14 europäischen Staaten siedeln“, wurden infiltriert, um ihnen ihr „Naturrecht“ einzubleuen. Den Rest - Zwietracht in Belgien, Frankreich oder Jugoslawien - überließ man vertrauensvoll der nationalistischen Eigendynamik. Damit die Berliner Steuerung nicht ins Auge fiel, erlebten „Europäische Nationalitätenkongresse“ in Genf, am Sitz des Völkerbundes, eine alljährlich sorgsam bedachte Inszenierung.

Während die Weltöffentlichkeit mit wohlanständigen Rechtsvorträgen beeindruckt wurde, radikalisierte sich der vom deutschen Außenministerium gesteuerte Verband von Jahr zu Jahr mehr. In „Nation und Staat“, der „Deutschen Zeitschrift für das Europäische Minoritätenproblem“, trieben kampfbereite Nationalsozialisten die Theorie vom „Volk“, das über Staat und Nation stehe, zur letzten Konsequenz. „Das Volk“, hieß es bereits 1932, „ist eine Bluts- und Kultureinheit.“ Der „Nationsbegriff ist eine notwendige Folge der Gedankenwelt der Demokratie, des mechanischen Auszählens der vielen Gleichen, des Individualismus und der Ablehnung der rassischen und volklichen Gliederung der Menschheit. All dies dient dem Streben des Judentums nach Gleichberechtigung, Ausbeutung und Herrschaft.“

Im Jahr 1936 - mit der „rassischen und volklichen Gliederung“ war in Deutschland erfolgreich begonnen worden - verlangte man auf dem Genfer „Nationalitätenkongreß“ nach einer ebensolchen „Gliederung“ in Europa: „Die Anerkennung der Volkspersönlichkeit als Grundlage der europäischen Entwicklung heißt, Konturen eines neuen Europa überhaupt aufzuzeigen.“ Der seriös erscheinende „Volksgruppen“-Redner war Kontaktmann des NS-Geheimdienstes und zum Zeitpunkt seiner Ausführungen mit der untergründigen Zerschlagung des tschechoslowakischen Staates beschäftigt. Die subversiven Aktivitäten der deutschen Steuerungsstäbe, insbesondere die Inszenierungen der „Nationalitätenkongresse“, gingen in Vorbereitungen zur militärischen Beherrschung Europas über. Flämische, bretonische, kroatische oder norwegische „Volksgruppenführer“ mauserten sich zu Quislingen, deren vorbedachte Aufgabe die Helotisierung ihrer Nationen unter den Stiefeln der deutschen Armeen war. Als Adolf Hitler einen bretonischen „Staat“ plante, während Burgund dem „Reich“ angeschlossen werden sollte, konnten die „Europäischen Nationalitätenkongresse“ ausgesetzt werden. Die Falle der deutschen Außenpolitik schnappte zu.

„Volkliche Gemeinschaft“ mit „Territorialautonomie“

Ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Ereignisse, die die „Neuordnung Europas“ unter den Trümmern des 2. Weltkriegs begruben, beansprucht die „Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV) 1995, das Erbe der besagten „Nationalitätenkongresse“ weiterzuführen. „Die FUEV“, heißt es in einer aktuellen Selbstdarstellung, „hat sich immer als Nachfolgeorganisation der Europäischen Nationalitätenkongresse (1925-1938) verstanden“ und vertrete „etwa 100 Millionen Einwohner in Europa“. Traditionsbewußt erinnert man am Flensburger Sitz des gemeinnützigen Millionen-Unternehmens an „die Zeitschrift Nation und Staat“, ohne sich von ihren Inhalten zu distanzieren. Im Gegenteil: Ausgerechnet ein Verlag früherer antisemitischer „Volksgruppen“-Hetze (Braumüller, Wien) ist der FUEV gut genug, neuerliche „Volksgruppen“-Theorien zu verbreiten. Wer dies für eine rein äußerliche Übereinstimmung hält, macht bei der Durchsicht des FUEV-Programms beängstigende Entdeckungen.

Bereits im Vorwort eines „Konventionsentwurfes“, den die FUEV internationalen Gremien andient, heißt es zum Wiedererkennen, „seit 1990“ habe die „Neuordnung Europas“ eingesetzt, so daß sich der „Volksgruppenschutz“ und „eine allgemeingültige Regelung der Volksgruppenfrage ... als unabdingbare Notwendigkeit“ erwiesen. Wie eine „Volksgruppe“ eigentlich zu definieren sei, beantwortet die FUEV so: „Eine Volksgruppe ist eine volkliche Gemeinschaft“ („Volksgemeinschaft“ mochte man nicht schreiben). Für die 100 Millionen aus den „volklichen Gemeinschaften“ verlangt die FUEV den „ihnen zustehenden Lebensraum“. Ohne Aushebelung der Souveränität der betroffenen Nationalstaaten wird dieser „Lebensraum“ schwerlich zu sichern sein: „Schicksale nationaler Minderheiten, kleiner Völker und Volksgruppen zählen nicht mehr wesentlich allein zu den inneren Angelegenheiten eines Staates“, verlautet die FUEV. In unmißverständlicher Deutlichkeit fordert ihr „Konventionsentwurf“ deswegen: „Die Angehörigen von Volksgruppen, die in Gebieten siedeln, in welchen sie die Mehrheit der Bevölkerung bilden, haben das Recht auf einen als Territorialautonomie bezeichneten territorial abgegrenzten Sonderstatus mit autonomer Gesetzgebung und Vollziehung zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten. Dieser kann auch in bundesstaatlicher Form ausgeübt werden.“

Hinter der „volklichen Gemeinschaft“ der „Volksgruppen“ verbirgt sich der Rechtsanspruch auf territoriale Sezession europäischer Minderheiten und Nationalitäten. Ihnen könne man aufgrund einer „persönlichen Entscheidung“ angehören, nachdem das „freie Bekenntnis“ zur „Volksgruppe“ abgelegt worden ist, welches „weder bestritten noch nachgeprüft“ werden dürfe. Demnach soll also eine nach Laune hinterlegbare Erklärung genügen, um innerhalb bestehender Staatsgrenzen eine Gruppe zu bilden, die sich als „Volk“ bezeichnen und ein eigenes, von ihr selbst verwaltetes Hoheitsgebiet beanspruchen kann. Dessen Reifung zu einem Staatsteil, der mit dem Territorialsouverän nur noch im Bundeskontakt steht, kann nicht ausgeschlossen werden.

Gipfel derartiger Vorstellungen ist das „Recht auf ungehinderte Kontakte“. Aufgrund des von der FUEV erdachten „Rechts“ soll es den bereits zur Hälfte abgetrennten und selbstverwalteten Gebieten ausdrücklich überlassen bleiben, „ungehinderte Kontakte mit staatlichen oder anderen öffentlichen Organen anderer Staaten (!), insbesondere mit jenen der konationalen (!) Staaten“ zu pflegen.

Spätestens diese Einladung zu grenzüberschreitenden Sonderbeziehungen souveräner „Volksgruppengebiete“ mit ihrem „Kernstaat“ macht deutlich, daß das angebliche Minderheitenrecht eine Gebrauchsanweisung für die Inszenierung schwerer Konflikte enthält. Diese Inszenierung dürfte von demjenigen Staat ausgehen, der über möglichst umfangreiche europäische Exklaven und die denkbar größten Machtmittel verfügt, um gleichsprachige oder von ihm gesteuerte „Volksgruppen“ nach Belieben einzusetzen.

„Schutzmacht bis zum Kaukasus“

Beim Nachdenken über einen eventuellen Aspiranten, der die „Volksgruppen“ benutzen könnte, stößt man auf die Bundesrepublik Deutschland und das Kontinuum einer pangermanischen Außenpolitik. In ihrem subversiven Netz, das 1928 verfeinert, 1933 erweitert und ab 1938 über Europa geworfen wurde, nimmt die heutige FUEV einen bedeutenden Platz ein. Nicht anders als ihre Vorläufer ist sie über den „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA), eine hundertjährige Subversionsagentur des deutschen Staates, mit dem Außenministerium, dem Innenministerium und dem Kanzleramt verbunden. Die Anbindung stellt das VDA-Verwaltungsratsmitglied Karl Mitterdorfer sicher, der in Personalunion tätige langjährige FUEV-Präsident mit Arbeitskontakten zu Repräsentanten des europäischen Rechtsextremismus und Rassismus. Diese FUEV-Kooperation findet im Schatten so prominenter VDA-Verwaltungsratsmitgliedern wie Hans Klein (Vizepräsident des Deutschen Bundestages) oder Eberhard Diepgen (Regierender Bürgermeister von Berlin) statt. Um das subversive Netz abzusichern und nach Art einer parteiübergreifenden Koalition zu führen, ist sowohl die SPD (Horst Sielaff, MdB) als auch die FDP (Wolfgang Hitschler, Ex-MdB) einbezogen.

Wesentliche Finanzmittel der FUEV, die sich gern europäisch gibt, aber ihren Organisationssitz nicht umsonst in Deutschland hat, fließen aus unbekannten Kassen verschiedener Bonner Ministerien. Um das Zusammenspiel nicht offenbar werden zu lassen, ist Umwegfinanzierung eine beliebte Methode. Der in Wien ansässige völkische Verlag, dem die FUEV ihre Propaganda für ein „ethnisches Europa“ anvertraut, findet sich auf den Überweisungslisten mehrerer Bundesregierungen. Verschlungen, aber identifizierbar, ist auch ein Zahlungsweg, der über den Ministerialrat im Bundesministerium des Innern und Besitzer eines SPD-Parteibuches, Uwe Stiemke, läuft. Ganz Privatmann, steht der Leiter des Referates mit der aufschlußreichen Bezeichnung K II 5 „Kulturelle Zonenrandförderung“ einer angeblich privaten Stiftung vor, die auf langjährige Beziehungen zum separatistischen Terrorismus blickt („Hermann-Niermann-Stiftung“, Düsseldorf). Mit den Stiftungs-Geldern des Ministerialrates preist die FUEV ihre „volklichen Gemeinschaften“ an und begleicht hauptamtliche Tätigkeiten in der FUEV-Organisationszentrale. In diesem Verbund fungiert Peter Iver Johannsen, Mitglied des Stiftungs-Kuratoriums und zufälligerweise auch Vorsitzender des VDA-Verwaltungsrates, als Scharnier der Bonner Auftraggeber. Dergestalt finanzierte die FUEV 1994 eine internationale Konferenz, die in Ungarn stattfand und bei der Ostausdehnung ins Zielgebiet der pangermanischen Hegemonialphantasien half: 1994 bildete für die FUEV das Jahr der „Minderheitenarbeit in ganz Europa bis zum Kaukasus“.

Laut FUEV-Pressemitteilung unterstellt die Organisation ihre „Volksgruppen“ in „Mittel-, Ost- und Südosteuropa“ ab sofort einer deutschen „Schutzmachtfunktion“ und segmentiert den Kontinent nach einem überstaatlichen Ordnungsprinzip. Da es sich an der „einseitigen Überspannung des Souveränitätsgedankens“ stört, zerfällt Europa nunmehr in sechs „Regionen“, deren „volkliche Gemeinschaften“ Territorialautonomie verlangen dürfen. Die Liste liest sich wie eine Anweisung zum Tranchieren der deutschen Nachbarstaaten. Im Raum „NORD“ werden „Deutsche Nordschleswiger“ gegen Dänemark, „Friesen“ gegen die Niederlande sowie „Samen“ und „schwedische Finnen“ gegen Stockholm in Stellung gebracht. Im Raum „WEST“ fördert die FUEV u.a. das Territorialstreben der „Bretonen“ und „Elsaß-Lothringer“ gegen Paris, der „Deutsch-Belgier“ und „Flamen“ gegen Brüssel sowie der „Waliser“ und „Cornwailer“ gegen London. Im Raum „SÜD“ treten „Südtiroler Räteromanen“, „Aostaner“ und „Ladiner“ gegen Rom auf. Das Segment „MITTE“ wird vom autonomen Verlangen beherrscht, das „Deutsche in Nordpolen“, „Deutsche in Oberschlesien“, „Sudetendeutsche in Tschechien“ sowie „Deutsche in der Slowakei“ laut FUEV empfinden. Schließlich köchelt in den Zonen „SÜDOST“ und „OST“ ein „ethnischer“ Hexenkessel. „Ungarn in Rumänien“ und „Rumänen in Ungarn“, „Siebenbürger Sachsen“, „Banater Schwaben“, „Deutsche, Italiener und Ungarn in Slowenien“, „Deutsche in Georgien“, „Deutsche in Kasachstan“, „Deutsche in Kirgisien“ sowie die bereits mehrfach vom deutschen Generalstab eingesetzten Krimtataren harren des „Naturrechts“ der „Volksgruppen“.

Third time lucky

Einst von den subversiven Stäben der deutschen Außenpolitik in Auftrag gegeben, schien das Sippenrecht der pangermanischen Vorgeschichte in den Kämpfen des 2. Weltkrieges zerschlagen worden zu sein. Das „Volk“ der „Volksgruppen“, erkannte damals das US-Außenministerium, „ist eine obskure, zwangsweise und natürlich bestehende Seinseinheit, die durch Blut und gemeinsame Kultur zusammengehalten wird. Es handelt sich dabei um etwas völlig anderes als unsere Idee von people.“ Die Vorstellung von „Volk“ stehe „in Wechselbeziehung mit den Auffassungen über deutsche Rasse-überlegenheit und deutschen Imperialismus“.

Es hat den Anschein, als sei von dieser Erkenntnis des Jahres 1943 nichts in die Praxis der deutschen Außenpolitik eingegangen. Leise und unter Deckung hoher staatlicher Repräsentanten, zu denen die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein ebenso zählt wie der Landtagspräsident von Brandenburg, arbeitet die FUEV an der „Neuordnung Europas“. Dabei hat sie bereits die Höhen kontinentaler Planung erklommen und genießt Konsultativ-Status beim Europarat. Ähnliche Weihen waren ihrer NS-Vorläuferorganisation verwehrt geblieben, als es Mitte der 30er Jahre um die Vorbereitung des 2. Weltkrieges ging.